7
Jul
2007

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>>> Inversion. A House Installation by Dan Havel and Dean Ruck

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Ich muss darauf nochmal zurückkommen und bin wohl eine Erklärung schuldig.

Das Buch hat mich aus mehreren Gründen geärgert. Dazu muss man zunächst mal wissen, dass es sich bei »Der Tanz um die Lust« formal weder um einen rein literarischen noch um einen explizit nicht-fiktionalen Text handelt. Von Schirach vermengt die dreieinhalb ihr zugeflogenen Gedanken mit semibiographischen Erzählpartikeln und Seminarliteratur (es gibt ein kleines Literaturverzeichnis, dazu später mehr). Das muss man nicht schlecht finden. Tatsächlich machen Dath, Meinecke und viele andere das schon seit langem und ich verehre sie dafür. Aber man sollte natürlich fragen: Warum macht von Schirach das? Diese Form führt bei ihr zu nichts als zu Langeweile. Ihre Figuren (»Freunde«) sehen natürlich alle verdammt gut aus, haben ein fluffiges Sexualleben, verdienen gut oder sind gerade dabei bald gut zu verdienen und wirken insgesamt wie Blaupausen von Mercedes’ »Urbanem Penner«. Die nicht-fiktionalen Teile des Buches beschäftigen sich mit, ja, mit was eigentlich? Grundsätzlich geht es um Sex, wie man ihn zu haben hat und wie besser nicht, darum, dass Liebe ja auch ganz töfte ist, beides zusamen aber nun wirklich das Nonplusultra und mehr Weisheiten Marke Binse.

Insgsamt prägt den Text so ein touchy-feely-Gestus. Everything goes, ist dann aber doch, vielleicht, irgendwie böse. Von Schirach weiß nicht wohin zwischen neuer F-Klasse und Alice Schwarzer. Der Duktus des Ungefähren verrät sie.

Wie gesagt, es gibt ein Literaturverzeichnis, das nach Distinktion schreit und vielleicht einiges zu erklären vermag. Dabei jedenfalls nur einen einzigen nicht-deutschsprachigen Text verzeichnet. Man könnte wissen, dass die Cultural Studies und damit eines der größten Gebiete zur Forschung über Sexbilder ihre Wiege in Übersee hat. So aber liest von Schirach Blödsinn von Norbert Bolz und Ulf Poschardt, viel Primärliteratur von Nin bis Gustave Flaubert, kaut einige halbverdaute Gedanken Baudrillards wieder and that’s it. Wie man von einem vermeintlich feministischen Standpunkt aus über Porno schreiben kann und weder Linda Williams noch Andrea Dworkin erwähnt, ist mir ein Rätsel.

Und ja, das Buch wird sich selbstverständlich gut verkaufen. Und ja, es ist Hochstapelei. Auf niedrigem Niveau im Übrigen. Und ja, sie hat nicht Unrecht. Wie eben jemand kein Unrecht haben kann, der keinen Standpunkt hat.

Das Buch ist meinungs- und willen- und stillos. Geht es irgendwie schlimmer?

6
Jul
2007

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Morgen im Fernsehen: Shut up & dance! Updated (Bericht)
3Sat Foyer, das Staatsballett sagt 19 Uhr, 3sat 19:20 Uhr.

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Bei S. zum Essen eingeladen.

S. ist die klügste und belesenste Frau, die ich kenne. S. kann einige seltsame Geschichten erzählen. Wie sie als Klassenbeste abschloß, während ihres Studiums als Geisteswissenschaftlerin (!) einige Stipendien bekam, ihre Abschlußstudien mitsamt einem Forschungsaufenthalt in den USA finanziert wurden, sie ebenfalls als beste des Semesters abschloß. Wie sie dann zunächst der Akademia den Rücken kehrte, um endlich aus diesem sich selbst fickenden und dabei doch parasitären System herauszukommen. Wie sie dann ein paar Praktika und zur Zeit eine Ausbildung in einem ziemlich egalen Verlag mit kurzen Lehrtätigkeiten auf Zeit verband. Immer unterwegs, Hirn verkaufen. Wie wir immer wieder sprachen, als die Verzweiflung sich über sie legte. Ich habe doch immer alles gemacht, was man von einer Schülerin / Studentin / Auszubildenden / Dozentin verlangen kann. Fast immer sogar noch viel mehr und fast immer besser als der Rest. Diese Geschichten stehen hin und wieder schon mal in Magazinen. Wie schlecht es den jungen Geisteswissenschaftlern geht, dass nirgends Jobs auf sie warten. Das ist natürlich Kokolores. Wir haben immer noch bessere Berufschancen als Leute mit Realschulabschluß.

So hat B., die zur Zeit ihre Abschlußarbeit in Psychologie (Nebenfach, herrje, Soziologie) schreibt und die sich auf Arbeitspsychologie spezialisiert, bereits jetzt, vor ihrem Abschluß, ein Jobangebot als Personalleiterin in einem jungen, gut laufenden Betrieb angenommen. Sie wird dort viel Geld verdienen. Ihr gefällt der Job. Sie mag ihre Kollegen. Die WG-Wohnung ist bereits gekündigt, die neue angemietet. Es geht ihr gut.

Ich weiß nicht, woran es liegt. B. und S. auch nicht. Sie verstehen dieses System ebenso wenig wie ich. Aber sie verstehen, dass man Angst haben kann. Ja, unsere Berufschancen sind besser. Aber ebenso ist die Ungewissheit größer.

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Das Interessante daran ist ja, dass dieses Sich-Rumdrücken um und in Bedeutungsebenen zunächst so folgenlos zu bleiben scheint. Also dass diese Worte, Wörter und Phrasen, die nichts mehr bezeichnen sollen als sich selbst oder eben gleichzeitig möglichst viel bezeichnen, mit der Zeit eben doch wieder zu – ein wenig naiv gesagt – Bedeutung gelangen. Da scheint mir, trotz der mir eigenen Abneigung gegen alle Verschwörungsstheorien, mittlerweile ein Markt für zu bestehen, ein Bereich, innerhalb dessen sich die Leute mit Bullshit-Bingo zuwerfen. Man versteht sich. Man spricht dieselbe Sprache. Zu was führt es eigenlich, wenn der Betrogene weiß, dass er betrogen wird? Und der Betrüger wiederum dies weiß? Letztlich zu nichts, man hat sich eingerichtet mit den Nullvokabeln. Und also, vielleicht, liest der Betrogene den Bullshit gar nicht mehr oder er überliest ihn, filtert die Texte. Auch eine Kulturtechnik, wahrscheinlich nicht die schlechteste.

12
Jun
2007

»Der Tod der großen einfachen Vorstellungen,

die uns wahrhaft zu erschüttern vermögen, ist sehr nahe. Das Sterben der Schönheit, wie sie die alte Welt besaß, ist erfolgt. Alles Verklärte verlöschte unter Höllengelächter, reiner Ton, wahres Wort werden ungern gehört und ungern jenes:
Ist’s nicht der Mantel noch gesäter Sterne?
Ist’s nicht der Liebe hochverklärtes All?
Zerrissen ist der Mantel noch gesäter Sterne. Gelöst, aufgetrennt wird alles, im angstgequälten oder süchtigen Suchen nach äußerstem Effekt. Wer das Böse an solchem Vorgang aufzeigt, wird als Feind verschrieen, und Widersacher ist der, welcher kam, um zu binden anstatt zu lösen. Angst vor der stillen Tiefe der Nacht, alles ruft nach Erklärung: ›Sie wollen die Nacht zum Tage machen‹ sagt Novalis, so wie es schon bei Hiob steht.
Ach, ließe sich doch eine Zone des Schweigens einschalten zwischen Gestern und Morgen, damit das Morgen reiner aufgehn könnte.«

>>> Carl J. Burckhardt in einem Brief an Hugo von Hofmannsthal, Basel 1919
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